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Triathlon ist mehr als – Der Weg zur Ironman Weltmeisterin AK 18-24

Der Blog über die Hintergründe des Triathlon – von Gerald Dygryn

Nach Berichten zu großen Rennen der Olympischen Distanz und dem neuen Qualifikationssystem für die Ironman WM Veranstaltungen soll es diesmal um die Hintergründe meines eigenen Tuns gehen. Grund für den Blog ist der erste Platz meiner Athletin Hannah Rössler bei der Ironman WM auf Hawaii in der AK 18-24 und damit der inoffizielle WM Titel in dieser Altersklasse.

Die Anfänge

Hannah bewarb sich vor ca 2 Jahren für mein Stipendiumprojekt. Das Projekt wurde von mir ins Leben gerufen, um jungen, bisher unentdeckten, Athlet*innen eine Chance zu geben, ihre Träume zu verwirklichen. Und auch wenn es in einer immer “erwachsener werdenden” Sportart wie dem Triathlon Jahr für Jahr schwieriger wird erfolgreich zu sein, geht es bei diesem Projekt am Ende um Weltklasseleistungen auf der Mittel- und Langdistanz.

Dieses Performance Projekt hat ein klares Leitbild, indem es nicht nur um die sportliche Entwicklung der Sportler*innen geht, sondern vielmehr auch darum ein Mindset, eine Einstellung zum Sport wie auch zum Leben als Ganzes aufzubauen. Weiters gibt es in dem Projekt verschiedene Kaderstufen mit unterschiedlichen Vorgaben und Kriterien für die Athlet*innen. Allen ist aber gemeinsam, dass sie von mir persönlich Pläne bekommen und wir über das hinaus intensiv auch in anderen Bereichen des Sports zusammenarbeiten. Dabei ist die gemeinsame Arbeit sowohl bei wöchentlichen  Schwimmeinheiten aber auch bei regelmäßigen Trainingscamps Grundvoraussetzung. Hier die Kurzfakten zum Aufbau:

-) Performance Athlet*innen:

  • Einstufung nach einer Leistungsbeurteilung des letzten Jahres
  • keine Kosten für das eigene Leistungsdiagnostiksystem und für die Trainingsplanung
  • Marketingvereinbarungen mit GDT und der Triathlonwerkstatt
  • Preisgeldvereinbarung mit dem Headcoach
  • Unterbringung ins Partnernetzwerk von GDT Sportconsulting

-) Stipendium:

  • wie oben, allerdings gibt es keine Preisgeldvereinbarung, weil die Athlet*innen meist noch zu jung und noch keine Profis sind
  • Die Einstufung erfolgt nach einem Bewerbungssystem, bei dem die sportliche Laufbahn bis zum Bewerbungszeitpunkt, das Potential und der Wille das gemeinsame Ziel erreichen zu wollen, bewertet werden
  • Höchstalter: 23 Jahre

-) Hope Athlet*innen:

  • die Einstufung ist ähnlich wie beim Stipendium, allerdings sind die Sportler*innen entweder vom körperlichen Entwicklungsstand oder vom Mindset noch nicht so weit “all in” zu gehen, bzw. wissen teilweise nicht einmal, was das wirklich bedeutet. Wille und Potential sind vorhanden.
  • Preis: 50% des Premiumpaketpreises der Triathlonwerkstatt und 50% auf die Leistungsdiagnostik

Sollte jemand von euch Interesse haben, sich zu bewerben, dann schaut auf unserer Website vorbei. ACHTUNG: Aktuell haben wir nur mehr einen Platz im Stipendium- oder Performance – Team frei.

Hannah Rösslers Weg

Hannah studiert Sportwissenschaft, und nach einem ersten Gespräch war schnell klar, dass sie talentiert ist und von den Charaktereigenschaft perfekt in unser Leitbild passt. Auf der anderen Seite war sie allerdings bis dahin eine Hobbyläuferin, die kaum Triathlonerfahrung mitbrachte und die außerdem schon bei zwei der großen Marathons (Boston und Berlin) auf der Startliste stand. Gerade die letzte Tatsache schreckte mich eher ab, dennoch spürte ich, dass es irgendwie gut passen würde und dass die Marathons auch eine Vater-Tochter-Sache war, die ich unterstützen wollte.

Ich schlug ihr deshalb vor, ins Hope System einzusteigen, Hannah willigte ein und am 6. November 2023 bekam sie ihren ersten Trainingsplan. Schon nach vier Tagen erinnerte ich sie, nicht zu viel zu machen. Hannah besuchte einen unserer Advanced Schwimmkurse (!) und wir arbeiteten viel an der Schwimmtechnik. Bei unserem traditionellen Technikcamp in der Ramsau hatten wir weiter die Möglichkeit, intensiv an der Technik zu arbeiten und Hannah zeigte unfassbares Talent. Wir machten einen ruhigen und dem Trainingsalter entsprechenden Aufbau in allen Disziplinen. Hannah wechselte innerhalb des Jahres vom Technikkurs der Schwimmschule zum Perfektionskurs (ein Training für Hobbyspportler) und am Ende sogar in meine Performance Gruppe im Schwimmen.

Die Ergebnisse der Triathlonsaison 2024 lagen trotz aller Entwicklungen im Training dennoch über allen Erwartungen:

  • Österreichische U23 Meisterin auf der Mitteldistanz und der Olympischen Distanz
  • 2. Platz ÖM U23 Duathlon
  • Boston Marathon in 3h02, Berlin Marathon in 2h52

Die Saison 2025

Hannah hatte durch die Ergebnisse nun die Chance, ins Performance Team aufzusteigen. Es ging nur darum, ob sie das auch wollte. Nach einer eingehenden Entscheidungsfindungsphase auch innerhalb der Familie folgte sie der Idee und wir konnten in die Planung der neuen Saison gehen. Ziel war die Qualifikation für die Ironman 70.3 WM in Marbella. Leider gab es eine langfristige Verletzung der Wade und Hannah musste bis in den Februar und dann neuerlich im April total aufs Laufen verzichten. Dazu gab es Probleme mit schon ausgebuchten Rennen in der Nähe und so wurde die Idee geboren, sich als Amateurin für den Ironman Hawaii zu qualifizieren. Ich stimmte unter drei Voraussetzungen zu: Erstens sollte die Quali beim Ironman Austria und damit die Staatsmeisterschaft passieren und Zweitens sollte der Tag selbst als “Ausdauerabenteuer” erlebt werden. Das neue Hauptziel – die Staatsmeisterschaft in Obertrum auf der Mitteldistanz – würde davon Drittens nicht berührt werden dürfen. Der Ironman wurde als langer Trainingstag gesehen, mit natürlich länger andauernder Regenerationsphase.

Hannah stieg schlußendlich mit dem Ironman Austria auch in die Saison ein und zeigte ihre Freude am Ausdauersport dabei ausgiebig. Sie erreichte mit einer Zeit von 9h41 den zweiten Gesamtrang und den Vizestaatsmeistertitel und gewann ihre Altersklasse mit mehr als einer Stunde Vorsprung. Der Marathon bei großer Hitze in 3h18 bei alles anderer als perfekter Laufvorbereitung spricht für ihr Talent. Die Ruhe und Sicherheit davor für einen unglaublichen Willen. Das Ticket für Hawaii wurde gebucht. Zuvor kam noch der Hauptwettkampf in Obertrum, bei dem sie als Non Pro neun Minuten hinter den Favoritinnen starten musste. Platz 5 im stark besetzten Feld und neuerlich der Vizestaatsmeistertitel bei einem nahezu perfekten Wettkampf zeigte einmal mehr welch Potential in ihr steckt.

Die Hawaii Vorbereitung

Nach Obertrum wurde das ganze Training auf den Wettkampf auf der Pazifikinsel ausgerichtet. Ziel war es, die Leistung so zu verbessern, dass die Zeit von Klagenfurt wiederholbar würde. Nach ausgiebigem Studium der Konkurrenz war ein Platz am Podium möglich und wer mich kennt, weiß, dass eigentlich der Titel der ganz große Antrieb war. Da ich schon sehr oft in Kona war, versuchte ich Hannah nicht nur auf die geographischen und klimatischen Besonderheiten der Insel vorzubereiten, sondern auch auf den Spirit und den Mythos der Insel. Dafür erstellte ich eine eigene Präsentation, die ich mit ihr Schritt für Schritt durchgegangen bin. Alle Eventualitäten wurden besprochen.  Natürlich simulierten wir  im Training die Strecken so gut es ging und auch das Hitzetraining wurde erstmals ausprobiert. Hannah entwickelte sich bei allen Leistungstest von Woche zu Woche weiter. Kurz vor Abflug am 26. September kam es dann wieder zu leichten Problemen in der Wade. Die Vorbereitung bis dahin lief allerdings perfekt.

Im Wochenschnitt wurden in der unmittelbaren Vorbereitung der letzten 10 Wochen 16 km geschwommen, 307 km geradelt und 43,8 km gelaufen.

Auf Big Island selbst wurde das Laufen auf zwei Einheiten (eine Koppeleinheit eine Woche vor dem Wettkampf und ein Aktivierungslauf zwei Tage davor) beschränkt. Die längste Radeinheit vor Ort war eine 94km Grundlagenausfahrt. Alle Einheiten wurden so gewählt, dass Hannah am Ende die Strecke komplett – teilweise mehrfach – besichtigt hatte. Ich selbst kam eine Woche vor der WM auf der Insel an und konnte damit die letzten spezifischen Einheiten noch gemeinsam mit Hannah bestreiten, indem ich am Beckenrand stand, mit ihr im Pazifik geschwommen bin (außer beim Ho´ala Trainingswim – da war sie schneller ;-)), oder sie im Auto begleitete. Am Donnerstag vor dem Race gab es dann noch eine intensive Rennbesprechung unter vier Augen, wo taktisches Verhalten, aber auch Ernährung, Pacing, Wechsel und vieles andere genau durchbesprochen wurden.

Obwohl es genaue Daten für das Pacing von Hannah gibt und gab, haben wir es in ihrem Fall bisher immer so gehalten, dass sie das Rennen aus ihrem Bauch heraus gestalten darf. Das war bisher immer erfolgsgekrönt und wird solange nicht verändert werden, bis sich große Fehler einschleichen würden.

Wenn eine Athletin ein gutes Gespür hat, dann muss man sich als Trainer auch darauf verlassen können und am Ende kann das der ganzen Karriere nur helfen, denn als Profi gelten Watt und Pace nur so viel wie es das taktische Geschehen des Rennens erlauben. Für Kona blieben am Ende folgende Dinge als höchste Priorität und Vorgabe meinerseits über:

  • Hör in dich und pass auf dich auf. Du hast alle Skills, auf Herausforderungen einzugehen und reagieren zu können.
  • Der Ironman Hawaii ist an der Grenze zwischen Hölle und Paradies. Jedesmal, wenn dein Kopf in die Hölle abbiegen will, hol dich ins Paradies zurück. Schau, wo du bist und welches Privileg es ist hier sein zu dürfen.

Das Rennen

Hannahs Start war um 7:30 Uhr und damit mehr als eine Stunde nach den Pros. Es regnete am Morgen stark, aber zu Rennbeginn war diese Episode auch vorbei. Man spürte die Nervosität und trotz genauer Zeitplanung ging dann doch alles bis zum Start sehr schnell. So schnell, dass Hannah vergaß, ihr Gel vor dem Start zu nehmen. Irgendwie konnte ich zu einem Helfer vordringen und ihn überzeugen, es Hannah zur Startlinie zu bringen. Es stellte sich heraus, dass er es wirklich schaffte. Vielen Dank dafür!

Der Pazifik war welliger als die ganze Woche davor und die Zeiten entsprechend langsamer. Hannah stieg als vierte ihrer AK und nach 1:00:32 aus dem Wasser. Durch einen superschnellen Wechsel konnte sie gleich Zeit auf die Konkurrentinnen, die wir übrigens genauso im Vorfeld eruiert hatten, gut machen und bei der ersten Wende nach Kona waren kurzzeitig alle vier zusammen. Als Hannah dann kurz nach Pallani wie bei einer Kurzdistanz in die Pedale trat, war ich doch etwas unsicher, ob das gut gehen würde, aber der kurz danach langsam, aber dennoch steigende Abstand zu zwei als stärkere Radfahrerinnen prognostizierten Konkurrentinnen, beruhigte mich dann paradoxer Weise. Ich wusste, dass Hannah nicht nur gut auf alle Abschnitte vorbereitet war, sondern bisher auch immer im Rennen wusste, was sie zu tun hat. Ihre Radzeit war wegen des Gegenwindes bei der Rückfahrt mit 5:27:29 zwar langsamer als in Klagenfurt, wir konnten aber die Leistung um 10% innerhalb von 4 Monaten steigern (510 g Carbs wurden genommen).

Auch der zweite Wechsel war fantastisch schnell und Hannah ging mit 10:25 Minuten Rückstand auf Platz 1 und 6:59 Minuten auf Platz 2 auf den Marathon. Aus österreichischer Sicht lag sie an zweiter Stelle aller Age Grouper. Alexeja Kleiter hatte am Rad eine sehr sehr starke Leistung abgelegt. Ihr Vorsprung auf Hannah betrug zu diesem Zeitpunkt 6:41 Minuten.

Von Anbeginn an hatte Hannah die schnellsten Beine und machte Boden für Boden gut. Von hinten gab es keine Gefahr, also galt es für mich auf der Strecke nur die Rückstände und vor allem die Worte “be smart”, “schau auf dich”, “ernähren und kühlen” durchzugeben. Beim Abbiegen vom Highway auf das Energy Lab war der Rückstand auf Kleiter auf 2:30 Minuten geschrumpft und der Platz 1 in der Altersklasse fürs Erste gesichert. Beides motivierte Hannah anscheinend so sehr, dass sie im gefürchteten Energy Lab einen deutlichen Zahn zulegte und damit Kleiter schon vor dem Highway auch überholen konnte. 12 km vor dem Ziel kam sie mir mit einem entspannten Grinsen entgegen und gab mir ein High Five. Noch nie hatte ich soetwas in meiner Karriere erlebt. Die Sicherheit und Lockerheit bei km 30 des Ironman Hawaii war einfach nur erstaunlich. Dennoch galt es, Spannung zu bewahren und den kühlen Kopf zu behalten. Die Aussicht unter 10 Stunden zu bleiben und die Drittbeste je in der Altersklasse erzielte Zeit zu schaffen und damit um mehr als 20 Minuten schneller als Lucy Charles bei ihrem Altersklassensieg zu sein, war Motivation genug, dass Hannah die letzten zwei Kilometer in 4:14 und 4:22 lief. Mit einer Marathonzeit von 3h21:33 und einer Gesamtzeit von 9h56:04 schrieb sie sich in die Geschichtsbücher des Ironman Hawaii ein. Als eine junge Frau, die mit erst 21 Jahren in ihrem 2. Triathlonjahr und bei ihrem 2. Ironman sich zur Besten der Welt in der Altersklasse machte. Ihre Zeit war die 7. beste unter allen Altersklassenathletinnen und hätte bei den Pros zu Platz 38 gereicht.

More to come

Hannah erholt sich nun von ihrer unglaublich tollen zweiten Saison und darf mit erhobenen Haupt in den österreichischen Winter fliegen. Der Wettkampf und das ganze Jahr zeigen, dass wenn akribische Vorbereitung auf Athlet*innen trifft, die coachable sind und die das Racen lieben und darüber hinaus das Mindset eines Champions besitzen, Träume wahr werden können. Es gilt Schritt für Schritt zu machen, klug zu planen, sowie den Spaß und das Privileg, nicht aus den Augen zu verlieren, was es bedeutet unsere tolle Sportart ausüben zu dürfen. Ein erster Schritt ist getan. Hannah und ich werden weiter träumen, Ziele setzen und hart arbeiten

Der Autor ist Gründer und CEO von GDT Sportconsulting. Die Firma betreibt eine Schwimmschule in Wien und Umgebung (www.gdt.at) und bietet individuelle Trainingspläne für jedes Level, sowie Camps und Workshops an (www.triathlonwerkstatt.at). Außerdem ist Gerald Dygryn Performance Coach eines jungen Teams und für den ORF als Experte bei Triathlon Großereignissen tätig

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